Dicker Körper – dicke Gründe – Teil 3

Angst zu verhungern

Jede kalorienreduzierte oder einseitige Diät, löst im Körper Reaktionen aus, die ihm seit Urzeiten bei Hungersnöten das Überleben sicherte: Er fährt den Stoffwechsel runter, beginnt Muskulatur abzubauen, weil diese die meiste Energie verbrauchen und geht in den Energiesparmodus. Bekommt er wieder ausreichend zu essen, aktiviert er sein Fettspeicher­programm und rüstet auf für die nächste Hungernot.

Aber nicht nur das Aushungern durch Diäten führt zum verstärkten Aufbau von Fettreserven, sondern auch die sogenannten Light- oder Diätprodukte oder Fastfood. Davon wird der Körper nicht satt. Er muss sich quasi mit der Lupe die Nährstoffe in einem Berg von Nahrungsmüll suchen. Zwar füllt sich der Magen, so dass vorübergehend das Hungergefühl zum Verschwinden gebracht wird, aber es hält nicht lange an. Ernährt man sich überwiegend mit nährstoffarmer Kost, schaltet der Körper bald auf Dauerhungersnot um und das Fett­speicherprogramm läuft auf vollen Touren.

Bekanntlich lebt aber der Mensch nicht nur vom Brot allein. Wir haben auch Bedürfnisse, die befriedigt werden möchten. Ist das nicht der Fall, entsteht psy­chischer Hunger z.B. nach Zuwendung, Zärtlichkeit, Geborgenheit, mehr Abenteuer oder Hunger auf Sexualität, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Psychischer Hunger, fehlende seelische Nahrung kann im Körper den gleichen Fettspeichermodus auslösen wie fehlende stoffliche Nahrung.

Gefressen oder getötet werden

Bedrohte der viel zitierte Säbelzahntiger unsere Steinzeitvorfahren, aktivierte sich in Sekundenbruchteilen das Stressüberlebensprogramm, denn um zu überleben musste unser Vorfahre nun kämpfen oder flüchten. Der Körper muss also etwas tun: Ausgelöst von den Stresshormonen verstärkt sich die Atmung heftig um mehr Sauerstoff in die Muskulatur zu pumpen, das Herz rast um mehr Energie in die Kraftwerke zu bringen, die Pupillen weiten sich und alle verfügbare Energie wird in das Blut geschickt. Kurz: der Körper mobilisiert alle Reserven, weil es um Leben und Tod geht. Der Körper muss jetzt alles dafür tun um stark und schnell zu sein. Schlanksein ist dafür von Vorteil.

Ist jedoch Kämpfen oder Flüchten nicht mehr Erfolg versprechend, bleibt unserem Vorfahren nur noch die Möglichkeit sich zu verstecken und tot zu stellen. Zu diesem Zweck fährt der Körper alles herunter, was jetzt den Totstellmodus stören würde. Er aktiviert sein Fettspeicherprogramm, denn er muss nun alles dafür tun um möglichst geschützt zu sein. Jetzt ist ein dickes Fell von Vorteil.

Heutzutage geht es bei Gefahren in den seltensten Fällen um Leben und Tod, aber die körperlichen Reaktionen laufen genauso ab. Auch ist Kämpfen oder Flüchten meist nicht angesagt und somit läuft alles auf den Totstellmodus hinaus. Je nach dem ob es der Körper als sinnvoller erachtet zu Kämpfen oder Flüchten oder sich tot zu stellen, ist es für ihn besser schlank oder dick zu sein. Je nachdem wird er das Fettspeicherprogramm aktivieren oder aussetzen. Dazu fordert er die notwendige Nahrung an. Das ist der Grund dafür, warum machen Menschen bei Stress nichts hinunterbringen und abnehmen und andere verstärkt Hunger bekommen und zunehmen.

Erfrieren

Tiere haben ein Winterfell und in der kalten Jahreszeit mehr Speck auf den Rippen. Der Mensch, der „nackte Affe“, lernte Feuer zu machen und sich ein künstliches Fell zu schaffen. Trotzdem leistet auch der Körper seinen Beitrag, dem Kältetod zu entgehen. Friert er, fängt er an zu zittern um durch Bewegung etwas Wärme zu erzeugen. Reicht das nicht aus, drosselt er den Fettstoffwechsel um die wärmende Speckschicht zu vergrößern. Menschen in nördlichen Ländern haben deshalb auch genetisch bedingt einen robusteren Körperbau als Südländer.

Aber nicht nur bei realer Kälte, sondern auch bei seelischer Kälte kann der Körper genauso reagieren: die Schilddrüse erhält die Anweisung den Stoffwechsel zu ver­langsamen. Das Gefühl nicht gemocht oder ernst genommen zu werden, Missachtung, Missbrauch, Abwertung, sich selbst nicht mögen – die Liste, was seelische Kälte verur­sachen kann, ist unendlich lang und kann bei jedem Menschen recht unterschiedlich sein.

Genauso kann der Betroffene auch in den Kampf oder Fluchtmodus gehen um seelischer Kälte zu begegnen. Je nachdem, was der Körper für sinnvoller erachtet, will er eher schlank oder eher übergewichtig sein. Den Körper interessiert dabei nicht die Ästhetik oder unseren Wunsch nach Schlanksein. Für ihn hat das Beseitigen von lebensbedrohlichen Gefahren oberste Priorität. Der Körper unterscheidet dabei auch nicht, ob es sich um physische oder psychische Kälte handelt.

Ersticken

Wer schon einmal Luftknappheit erlebt hat, weiß, wie heftig unser Körper darauf reagiert. Es kann in unserem Leben viele Situationen geben, in denen wir seelisch kaum noch Luft bekommen, uns in die Ecke gedrängt fühlen, keinen Raum für uns haben oder unsere eigenen Belange erstickt werden.

Ein körperlicher Airbag kann uns das Gefühl der Enge und Atemnot etwas nehmen. So lässt sich dies besser aushalten und der Körper verschafft uns mehr Raum.


Vereinsamen

Der Mensch ist ein Rudeltier, wie beispielsweise auch Wölfe. Ohne das Rudel war das Überleben in früheren Zeiten kaum möglich. So zählt menschliche Nähe auch heute noch zu den Grundbedürfnissen. Der Staufenkaiser Friedrich II wollte herausfinden, welche natürliche Sprache den Menschen gegeben ist und machte ein schlimmes Experiment: Er lies Babys nach der Entbindung ernähren, aber die Ammen durften nicht mit ihnen sprechen. Keines der Kinder überlebte das erste Jahr. Sie starben an fehlender Zuwendung und Vereinsamung.

Wie kann der Körper auf diese Lebens­gefahr reagieren? Nun, er kann sich ge­wichtiger machen, körperlich mächtig, eine Sonderstellung einnehmen, oder sich auch unsichtbar machen und unter einer dicken Fettschicht verstecken, sich zurücknehmen um andere besser er­scheinen zu lassen oder auch dünn, zerbrechlich oder krank werden um die Zuwendung der anderen zu erzwingen. Es kann in alle Richtungen gehen.

Auch hier gilt: Je nachdem, was der Körper zur Beseitigung einer lebensgefährlichen Bedrohung als beste Möglichkeit erkennt, Dicksein oder Dünnsein, das wird er wählen. Dabei dienen ihm auch Rollenvorbilder, innere Haltungen oder Empfin­dungen. Psyche und Körper sind untrennbar miteinander verbunden und reagieren wechselseitig.