Warum ist Gähnen ansteckend? Warum bekommen wir ein Lächeln meist zurück? Warum spüren wir, wenn den anderen etwas bedrückt? Warum weinen manche bei einem rührseligen Film mit? Und warum schnellt das Bein aus dem Sessel hoch, wenn beim Fußball im Fernsehen der Ball vor das gegnerische Tor geflankt wird?
Die Antwort liefert uns die Hirnforschung: Spiegelneuronen!
Bereits in den 90er Jahren hat eine italienische Forschergruppe um ihren Leiter Giacomo Rizzolatti an der Universität Parma diese entdeckt. Mehr aus Zufall, wie sooft. In Versuchen mit Schimpansen wollte man herausfinden, welche Lustzentren im Gehirn aktiviert werden, wenn Affen nach einer Nuss greifen. Dazu verkabelte man diese und beobachtete, wie ihre Neuronen (Hirnzellen) Cha-Cha-Cha tanzten.
Nach einer Weile machten die Forscher eine sensationelle Entdeckung: Nicht nur wenn der Affe selbst zur Nuß griff wurden Signale ausgesandt, sondern auch wenn ein anderer Affe oder sogar ein Teammitarbeiter die gleiche Handlung ausführte. Zusehen genügte also, um die gleichen Reaktionen in den gleichen Hirnregionen auszulösen. Die Spiegelneuronen waren entdeckt. Somit ist neurologisch erklärt, warum andere Menschen für uns ansteckend sind – im Guten wie im Bösen.
Bereits im Mutterleib bekommt unser Gehirn eine Grundausstattung an Neuronen, die wir von den Bezugspersonen kopiert (gespiegelt) haben. Danach geht es fleißig weiter. Auch wenn die Prägungen natürlich in den frühesten Jahren am stärksten sind, bleiben die Spiegelneuronen bis ins hohe Alter aktiv.
Kein Wunder, dass Kinder oft ihren Eltern ähnlich sind. Nicht nur vom Aussehen. Jemand lächelt wie die Mutter, läuft wie der Vater oder ist ein echter „Müller“ oder „Schmidt“. „Den kannst du nicht leugnen“, bekommt oft ein stolzer Vater zu hören.
Eine passende Lektion hat mir jüngst mein Enkel David mit seinen gut eineinhalb Jahren erteilt. Wir gingen im Kurpark spazieren. Ich lief gedankenversunken, die Hände auf dem Rücken verschränkt nach vorne gebeugt und mit Blick auf den Boden gerichtet. Im Zusammenspiel mit meinem eh schon ausgeprägten Rundrücken muss ich wohl das Bild eines wandelnden Spazierstockes abgegeben haben.
Plötzlich begann meine Frau laut zu lachen: David stolzierte mit tief gesenkten Kopf und nach hinten gestreckten Armen hinter mir her. „David, zeig noch mal, wie läuft der Opa!“ ermunterte sie den Kleinen. Sofort senkte sich der Kopf und die Armen schossen nach hinten. Die Freude darüber, etwas Neues gelernt zu haben, veranlasst ihn immer zu einem solch dreckigen Lachen, über das man sich einfach amüsieren muss. Das ist echt hörenswert, das ist göttlich… 😉
Dank der Spiegelneuronen weiß jetzt Davidchen, wie der Opa läuft und kann es auch auf Kommando nachmachen.
Hier ist das Beweisfoto:
Grund genug, mich künftig auf eine vernünftige Körperhaltung zu besinnen. Und mehr noch: Nicht nur was der Mensch sieht aktiviert die Spiegelneuronen, auch was er hört, fühlt, riecht oder schmeckt. So ein kleiner Wicht spürt sogar was wir denken und wie es uns geht.
Das ist natürlich nicht nur bei den Kleinen so, sondern bei allen Menschen und sogar bei höherentwickelten Tieren wie Hunden, Katzen oder Pferden, wie jeder Tierfreund weiß.
Zum Schluß sei aber noch ein wichtiges Kriterium genannt: Es muss eine gute Beziehung bestehen, damit richtig Saft auf die Spiegelneuronen kommt. (Lies dazu auch meinen Blog: „Warum es der eigene Affe sein muss“). Gott sei Dank ist das so, sonst wären wir der Willkür anderer Menschen schutzlos ausgeliefert.
Zumindest ein Erwachsener kann sich abgrenzen und eigene Erfahrungen, Einstellungen und Werte dagegen setzen. Ein Kind hat dies noch nicht und ist deshalb auf die Fürsorglichkeit der Großen angewiesen.
(Literaturempfehlung: Joachim Bauer: „Warum ich fühle, was du fühlst“ Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneuronen)