Familienbande – Brutstätte für Glück und Unglück

Meine Familie. Es gibt kaum zwei Wörter,Familienbande die intensivere Gefühle auslösen. Gefühle von Geborgenheit, Liebe und Unterstützung – oder auch Enttäuschung, Wut oder gar Hass. Oft vermischen sich diese widersprüchlichen Gefühle im tiefsten Herzen und brechen in bestimmten Situationen auf, manchmal in unerklärlicher Heftigkeit. Immer gleiche Streitigkeiten mit dem Partner, Kindern oder im Beruf können sich wie ein roter Faden durch unser Leben ziehen. Mitunter beeinträchtigen unerklärliche Ängste, Zorn oder Traurigkeit spürbar die Lebensfreude.

Viele wünschen sich, endlich ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, um Glück in Familie, Partnerschaft und Beruf zu finden. Obwohl sich die meisten Menschen für ein selbstbestimmt handelndes Individuum halten, sind sie doch in einem Netz systemischer Verstrickungen gefangen. Menschen sind soziale Wesen und somit eingebunden in Systemen wie Familie, Kindergarten, Schule, Freundeskreis, Vereine, die selbstgegründete Familie und nicht zuletzt die Firma, in der sie arbeiten. Solche Systeme, allen voran die Familie, haben eine enorme Macht und

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Schmerzliche Erfahrungen

Warum seelische Verletzungen krank machen

Jemand erleidet einen schmerzlichen Verlust, macht eine schmerzliche Erfahrung oder spürt ein schmerzliches Verlangen – der allgemeine Sprachgebrauch bringt seelische Belastungen mit Schmerzen in Verbindung. Körperlicher und seelischer Schmerz haben mehr als nur den Begriff gemeinsam: Sie aktivieren auch im Gehirn die gleichen Bereiche. Das hat ein Forscherteam der Universität Los Angeles mit eindrucksvollen Studien herausgefunden, deren Ergebnisse vor einem Jahr im Fachjournal „Association for Psychological Science“ veröffentlicht wurden. Wenn etwas „einem Menschen das Herz bricht“, ist dies mehr als eine bildliche Ausdrucksweise. Verletzte Gefühle führen zu Körperreaktionen, die oft nachhaltige Spuren hinterlassen. Die Studien belegen, dass sich seelische und körperliche Schmerzen viel ähnlicher sind, als bisher angenommen wurde.

Versuchspersonen mit Liebesleid

An den Studien in Los Angeles nahmen insgesamt 40 Personen teil, die alle innerhalb der letzten sechs Monate eine gescheiterte Beziehung mit einer nicht gewünschten Trennung zu verkraften hatten. Alle Probanden gaben an, sich extrem abgelehnt und verletzt zu fühlen. In zwei Versuchsteilen wurden ihre Hirnreaktionen mittels funktionaler Magnetresonanztomographie (fMRT) beobachtet. Im ersten Teil wurden die Versuchspersonen mit Fotos des Ex-Partners konfrontiert und mussten sich in die Gefühle des Verletztseins hineinversetzen, die sie bei der Trennung empfanden. Im zweiten Teil setzte man ihnen eine Hitzesonde an den linken Unterarm, die ein ähnliches Gefühl erzeugte wie die Verbrennung durch eine zu heiße Kaffeetasse. Bei der Auswertung der fMRT-Aufnahmen stellten die Forscher fest, dass zwei Gehirnbereiche bei beiden Tests von seelischer und körperlicher Pein gleichermaßen betroffen waren: der somatosenorische Kortex, wo die Sinnesreize verarbeitet werden, und der insuläre Kortex, der die Stärke eines Schmerzreizes registriert. „Wir stellten fest, dass das Auslösen starker Gefühle der sozialen Ablehnung Regionen im Gehirn aktiviert, die auch für das Gefühl des physischen Schmerzes zuständig sind“, erklärt Versuchsleiter Kross.

Ãœberleben im Rudel

Ablehnung ist eines der schmerzhaftesten Gefühle für jeden. Fragt man Menschen nach den ersten negativen Erfahrungen in ihrem Leben, an die sie sich erinnern können, haben diese meist mit Ablehnung zu tun, zum Beispiel nicht mitspielen zu dürfen oder sonst irgendwie von einer sozialen Gruppe ausgeschlossen gewesen zu sein. Evolutionär betrachtet ist dies verständlich, denn für den Menschen war es immer überlebensnotwenig, einer Gemeinschaft anzugehören. Wurde man aus seinem „Rudel“ ausgestoßen, bedeutete dies meist den sicheren Tod. Obwohl sich unsere Lebensbedingungen völlig verändert haben und wir kein Rudel mehr zum Überleben brauchen, spüren wir den Mangel an Zugehörigkeit wie ein nicht befriedigtes Grundbedürfnis. Deshalb stellt Mobbing für die Opfer größte seelische und körperliche Belastungen dar. Fachleute schätzen, dass etwa eine Million Berufstätige in Deutschland gemobbt werden und unter Mobbing leiden. Mobbing gibt es jedoch nicht nur am Arbeitsplatz, sondern in jeder Gemeinschaft und sogar innerhalb der Familie.

Schmerzmittel für die Seele

Menschen, die empfindlicher auf körperliche Schmerzen reagieren, sind meist auch empfindlicher für soziale Schmerzen. Für eine Studie über den Umgang mit sozialer Ausgrenzung wurde ein Computerspiel entwickelt, bei dem sich die Probanden Bälle zuwarfen. In einem abgekarteten Spiel überging man einen der Teilnehmer immer öfter und gab ihm zum Schluss keinen einzigen Ball mehr. Gab man dem Ausgegrenzten jedoch ein Schmerzmittel, in diesem Fall den Wirkstoff Paracetamol, hielt er die Situation besser aus. Ähnliche Studien wurden danach auch mit anderen Stoffen gemacht, die ein Suchtpotenzial enthalten, wie Alkohol, Nikotin oder Süßigkeiten. Versuchsleiterin Eisenberg rät jedoch ab, Schmerzmittel, gleich welcher Art, zu nehmen, um soziale Schmerzen zu unterdrücken. „Ich glaube, wahrscheinlich gibt es diese Art von Schmerzen aus gutem Grund, damit Menschen zusammenhalten“, erläutert sie. „Wenn wir das Gefühl sozialer Ablehnung immerzu betäuben, würden wir dann nicht öfter Dinge tun, für die uns Leute ablehnen und die uns von anderen entfremden?“

Die Angst im Nacken

Obwohl die Forschung bestätigt, dass seelische Verletzungen ganz reale körperliche Schmerzen verursachen, fehlt die Anerkennung dieser Tatsache bis heute in unserer Gesellschaft. „Wir scheinen körperliche Schmerzen ernster zu nehmen als soziale Schmerzen“, sagt auch Eisenberger. Während unsere Mitmenschen meist Verständnis dafür haben, dass körperliche Schmerzen wehtun und Menschen sehr einschränken können, bringen sie nicht immer das gleiche Verständnis für Menschen auf, die unter sozialen Schmerzen leiden. Aber auch die Betroffenen selbst gehen mit körperlichen Leiden offener um als mit seelischen Problemen. Mehrere Bergleute bekamen wenige Wochen nach einem Grubenunglück auf der Nachbarzeche starke Nackenschmerzen – ihnen saß buchstäblich die „Angst im Nacken“. Alle verneinten die Frage nach der Angst, aber der Körper drückte sie deutlich aus. Zurückhalten von Gefühlen erzeugt eine muskuläre Anspannung, die Schmerzen im Körper verursachen, für die Ärzte meist keine körperlichen Ursachen finden.

Hilfe holen

Seelische Zusammenstöße mit anderen Menschen sind unvermeidlich. Denk aber daran, wie verletzend unbedacht ausgesprochene Worte sein können, und geh sorgsam damit um. Frag dich im Zweifelsfall, wie die Worte, die dir auf der Zunge liegen, auf dich selbst wirken würden. Auch das alte Sprichwort „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu“ hat heute noch seine Gültigkeit.

Fühlst du dich durch Worte und Taten verletzt, dann suche nach einer Haltung, die dir hilft, möglichst schmerzarm damit umzugehen. Dies ist nicht immer leicht und manchmal aus eigener Kraft unmöglich. Scheue dich deshalb nicht, Hilfe zu holen. Inzwischen gibt es wirksame Therapie- und Coachingtechniken, die dazu geeignet sind, alte Verletzungen schnell und nachhaltig zu neutralisieren. Oft verschwinden körperliche Schmerzen von selbst, wenn die dahinterliegenden unverarbeiteten Gefühlszustände behandelt werden.

Gute Beziehungen sind die beste Medizin

Wie alt bist du? Ja, ich weiß: man ist so alt, wie man sich fühlt. Ich wünsche dir jedenfalls ein langes Leben. Die  Voraussetzungen dafür sind bestens, denn die Lebenserwartung hat sich in den letzten 130 Jahren in Deutschland mehr als verdoppelt:

Jahr        Männer     Frauen

1880        35,58        38,45  Jahre
1910        47,41        50,68  Jahre
1930        59,86        62,81  Jahre
1950        63,95        68,02  Jahre
1980        69,62        76,17  Jahre
2011        78,07        83,01  Jahre

Die Lebenserwartung steigt jährlich und wird sich bis 2030 weitere 6,1 Jahre erhöht haben. Die Hauptgründe dafür liegen auf der Hand: bessere medizinische Versorgung, Ernährung, Arbeitsbedingungen, soziale Absicherung, um die wichtigsten zu nennen.

Trotzdem ereilt auch heute noch jeden früher oder später der Tod. Die häufigste Todesursache sind immer noch Herzerkrankungen. Trotz bester Pharmazie, Geräten und Vorsorge sterben die Menschen am häufigsten am kaputten Herzen.

Karge Beziehungen können zum frühen Tod führen

Im Betrieb herrscht ständig dicke Luft, von mangelnder Teamarbeit ganz zu schweigen. In der Familie ist Zank und Streit an der Tagesordnung. Der Rechtsstreit mit dem Nachbarn um den Grenzabstand zieht sich hin. Verwandte waren schon lange nicht mehr zu Besuch und für Freundschaften bleibt sowieso keine Zeit mehr. So könnte man sich den Alltag eines missmutigen und unzufriedenen Menschen vorstellen.

Damit sind die Weichen zu einer drastischen Verkürzung seiner Lebenszeit gestellt. Nicht etwa weil er übermäßig isst, raucht, trinkt und sich nicht bewegt, sondern weil ihm etwas elementar Wichtiges zur Erhaltung seiner Gesundheit fehlt: befriedigende soziale Kontakte und psychischer Rückhalt von Freunden und Verwandten.

Die amerikanische Wissenschaftlerin Julianne Holt-Lunstad hat mit ihrem Team 148 Studien mit insgesamt 308.000 Menschen ausgewertet. Das Ergebnis zeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit, alt zu werden, um 50 % erhöht, wenn man in Beruf, Familie und Freundeskreis mit freundlichen Menschen umgeben ist. Das setzt aber auch voraus, selbst etwas dafür zu tun, dass andere Menschen freundlich zu einem sind. „Dass karge soziale Beziehungen zum frühen Tod führen können, ist weder den Gesundheitsbehörden noch in der Öffentlichkeit ausreichend bekannt“, resümiert Holt-Lunstad.

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