Die Illusion von der Willenskraft – Teil 1

Neulich sprach mich ein guter Bekannter auf meine Arbeit an und sagte: „Sei mal ehrlich, egal welche Methode du als Hilfsmittel einsetzt, letztendlich ist es nur die Willenskraft und die Selbstdisziplin, die darüber entscheidet ob jemand langfristig sein Verhalten verändert oder nicht.“
In der Tat ist Willenskraft ein entscheidender Faktor und man kann sogar die Willenskraft trainieren wie ein Muskel. Allerdings hat sicher schon jeder erlebt, dass die Willenskraft ihre Grenzen hat. Zuerst ist man wild entschlossen und nach einigen Tagen, spätestens nach drei Wochen ist die Willenskraft und die Selbstdisziplin am Ende. Danach ist alles wieder beim Alten, denn die psychologische Forschung hat festgestellt, dass es mindestens sechs Wochen dauert, bis wir altes Verhalten abgelegt und neues eingeübt haben.

Fazit:
Willenskraft und Selbstdisziplin sind begrenzte
Ressourcen. Insbesondere dann, wenn sie noch
in anderen Bereichen benötigt werden, sind sie
schnell aufgebraucht.
Willenskraft ist aber auch trainierbar wie ein Muskel.
Jeder Leistungssportler trainiert sie dauernd.

Wissenschaftler wollten wissen, was passiert, wenn wir schon am Anfang des Tages Dinge tun, die uns viel Überwindung kosten. Das Ergebnis: scheinbar haben wir nur ein begrenztes Reservoir an Willenskraft, dass uns jeden Tag zur Verfügung steht. Denn je mehr Willenskraft wir tagsüber aufwenden, desto weniger Willenskraft bleibt uns am Ende des Tages erhalten. Sie gaben Leuten Aufgaben, die Willenskraft bedurfte. Dann wurde beobachtet, wie viel diese Leute am Abend Sport trieben. Einer Vergleichsgruppe wurden die Willenskraft-Aufgaben erspart.

Das Ergebnis: Die Leute, bei denen die Willenskraft schon im Verlaufe des Tages gezielt gefordert wurde, waren weniger zum Sport motiviert, trainierten lascher und seltener.

Fazit:
Willenskraft und Selbstdisziplin sind also für den
begrenzten Einsatz sehr hilfreich, für langfristige
Verhaltensänderungen taugen sie recht wenig.

Es kann sogar kontraproduktiv und schädlich sein wenn man häufig versucht langfristige Verhaltensveränderungen mit Disziplin erreichen zu wollen. Irgendwann fühlt man sich so ausgelaugt, dass man nicht einmal mehr genug Willenskraft für die alltäglichen Dinge des Lebens aufbringen kann. Und das Schlimmste ist: der Selbstwertgefühl erleidet schlimme Blessuren.
Stimmt also doch die These, dass sich der Mensch nur sehr schwer ändern kann? Ja – wenn Willenskraft oder Selbstdisziplin als einzige Methode zur Verfügung steht. Abraham Maslow, einer der Begründer der Humanistischen Psychologie hat einmal gesagt: „Wer als einziges Werkzeug nur einen Hammer hat, dem erscheint jedes Problem wie ein Nagel.“ In dem Bewusstsein vieler Menschen ist offenbar das „Sich-am-Riemen-reißen“ als einziges Werkzeug fest verankert.

Was kann uns aber dauerhaft zu neuem Verhalten bewegen?

Dazu ein Beispiel: Wenn jedes Stück Schokolade uns sofort eine heftige Gallenkolik beschweren würde, brauchten wir keine Willenskraft um dagegen anzukämpfen. Wenig wirksam ist allerdings das Wissen darum, dass uns durch unser Verhalten vielleicht später eine schlimme Krankheit droht.

Fazit:
Unsere Grundmotivation ist, Schmerzen zu vermeiden.
Dabei werden akute kleinere Schmerzen stärker
empfunden als weit entferntere große.

Wir brauchen also einen triftigen emotionalen Grund für Veränderungen. Es muss uns etwas drücken und zwicken.
Unsere Grundmotivation Schmerzen vermeiden zu wollen hat aber auch eine liebreizende Schwester: die Lust. Wir wollen Freude, wir wollen Lust empfinden. Oft steht sie im Hintergrund weil Schmerzvermeidung evolutionär wichtiger ist als Freude zu empfinden. Wird uns aber ein sofortiger Lustgewinn in Aussicht gestellt, benötigen wir keine Willenskraft das entsprechende dafür zu tun. Ist jemand frisch verliebt, braucht er keine Willenskraft im halbstündigen Rhythmus sms zu schreiben oder alle möglichen Strapazen auf sich zu nehmen.

Fazit:
Schmerzvermeidung und Lustgewinn sind gleichermaßen
förderlich für die Willenskraft. Um neue Gewohnheiten zu
etablieren ist es gut, beide Emotionen an Bord zu haben.
Um eine schlechte Gewohnheit aufzugeben funktioniert
Schmerz besser. Um eine neue Gewohnheit zu etablieren,
Freude.

Ist z.B. der Abgabetermin für eine Arbeit noch in weiter Ferne, bekommt der Tatendrang wenig Impulse – es sei denn, Du hast große Freude dabei.

Die richtige Taktik

Der Aufdruck „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“ u.ä. auf der Zigarettenpackung ist nachgewiesenermaßen wirkungslos. Es kostet den Raucher ein müdes Lächeln. Es würde nur eine Wirkung zeigen, wenn sich der Raucher ernsthaft einen akuten Schmerz vor Augen führen würde. Er müsste sich also intensiv in das schmerzhafte Gefühl und die Not, die eine Beinamputation oder ein Lungenkrebs verursachen kann, hineinversetzen. Vielleicht würde er dann die Zigarette wegwerfen und nie mehr eine anpacken.

Viele Menschen haben von heute auf morgen das Rauchen aufgegeben. Wenn man sie heute fragt, haben sie nicht das Gefühl, große Willenskraft aufgebracht zu haben. Sie wollten einfach nicht mehr! Meist waren dies Raucher, die in jungen Jahren anfingen zu rauchen, weil es damals einfach zum Erwachsensein dazu gehörte. Später ist ihnen klar geworden was sie sich damit antun.

Wäre der Mensch eine seelenlose Maschine, würden alle auf die gleiche Weise funktionieren. Da wir aber beseelte Wesen sind, kann ein anderer auf die Vorstellung einer Amputation oder eines Lungenkrebses reagieren, indem er noch mehr raucht, weil ihm diese Vorstellung Angst und Druck macht. Insbesondere dann, wenn das Rauchen als Suchtmittel zum Kompensieren von Stress und negativen Gefühlen gebraucht wird. In diesem Falle wäre die Taktik auf Schmerzkonfrontation und Abschreckung zu setzen kontraproduktiv.

Hier muss die liebreizende Schwester, die Lustgewinnung die Führung übernehmen, z.B. die Lust aufs freie Atmen oder das Gefühl frei zu sein. Gleichzeitig müssen Schmerz, Stress und Druck reduziert und neue, bessere Kompensationsmöglichkeiten integriert werden. Zudem braucht es Verhaltensweisen, die akuten und dauerhaften Lustgewinn verursachen.

Fazit:
Der entscheidende Punkt für Veränderungen sind weniger
klare Ziele und schon gar keine detaillierten Pläne (z.B. Diät-
pläne), sondern tiefe emotionale Gründe.

Diese emotionalen Gründe können schmerzvermeidende oder lustgewinnende Gründe sein, die bei jedem Menschen individuell verschiedene Auswirkungen haben können. In der Zukunft liegende Emotionen müssen in die Gegenwart projiziert werden.

Was ich am Beispiel des Rauchens erläutert habe, gilt auch für alle anderen Bereiche des Lebens, in denen man Verhaltensveränderungen vornehmen möchte.

Ein Meister, der übt

Wer möchte nicht erfolgreich sein? Wer möchte nicht sein Leben gut meistern? Und wer wäre nicht sogar bereit viel Geld dafür auszugeben, wenn es ein todsicheres Rezept dafür gäbe? Ein totsicheres Rezept habe ich auch nicht, aber ich kann dir einen interessanten Ansatz dazu vermitteln. Kostenlos und unverbindlich.

Gefunden habe ich diesen Ansatz in dem lesenswerten Buch „Drehbuch für Meisterschaft im Leben“ von Ron Smothermon. Vom Amerikanischen ins Deutsche übersetzt hat es Henning von der Osten, bei dem ich unter anderen einmal eine Woche „Urschrei-Therapie“ nach Arthur Janov miterleben durfte. Leider lebt Henning seit einigen Jahren nicht mehr.

Das Buch besteht aus insgesamt 71 kurzen Kapiteln, in denen der Autor mit knappen aber präzisen Worten irreführende Sichtweisen und Einstellungen beschreibt und dabei dem Leser vor Augen führt, wie er damit sein Leben oft in die falsche Richtung steuert.

Eines dieser Kapitel das heißt: „Ein Meister, der übt“ und es beschreibt zwei Arten, wie man sein Leben meistern kann. Die erste besteht darin, zu üben, ein Meister zu werden, wie es von Smothermon ausgedrückt wird. Dadurch wird das Bewusstsein geschaffen, dass man noch viel zu tun hat und noch lange nicht die Meisterschaft erreicht hat. Hört sich doch normal an, oder?

Wenn man aber genau hinschaut, ähnelt es dem uralten Rätsel des Versuchs, eine Wand zu erreichen, indem man mit jedem neuen Schritt die Hälfte des Abstandes des Weges zurückzulegen. Egal wie nahe du an die Wand herankommst, du wirst sie niemals erreichen. Dieses Bewusstsein bestimmt auch unser tägliches Leben: immer glauben wir, noch etwas tun zu müssen, uns und unsere Lebensumstände irgendwie noch verbessern zu müssen um glücklich zu werden oder unsere Meisterschaft zu erringen, um in der Sprache des Autors zu bleiben.

Die andere Art, das Leben zu erleben, ist die
eines Meisters. Da sind genau die gleichen Umstände und Ereignisse vorhanden, aber es wird anders wahrgenommen. Hier ist ein Meister, der seine Meisterschaft übt! Er fühlt sich immer und zu allen Zeiten vollkommen und ganz.

Smothermon schreibt: „Sie sind Meister des Lebens, und alles, was sich Ihrem Erleben auftut, bestätigt und bekräftigt ihren Kontext als Meister und trägt zu ihm bei. Ganz gleich, ob die Dinge nach Maßstäben der Welt „gut oder schlecht“ sind.“

Mich erinnert das an die Natürlichkeit von kleinen Kindern, die „alles können“ (ich kann das schon!!!) und sich auch nicht davon beirren lassen, wenn es nicht perfekt (nach Ansprüchen von uns Erwachsenen) wird.

Wir haben also zwei Arten, das Leben zu erleben:

1. zu üben, Meister zu werden – oder
2. ein Meister zu sein, der übt

Jeder, der einigermaßen bei Verstand ist, würde doch Nr. 2 wählen, oder? Erstaunlicherweise, tun es die allerwenigsten! Du musst das auch nicht tun, du kannst auch weiterhin „stets bemüht“ sein.

Smotheron schreibt abschließend: „In dem Augenblick, wo Sie sagen, geschieht es. Sie müssen wissen, dass der Inhalt Ihres Lebens sich nicht ändert, wenn Sie sagen „Ich bin ein Meister, der übt“. Es ändert sich, wenn Sie das sagen, jedoch, dass alles und jeder in Ihrem Leben Ihrem erleben nach transformiert ist und alles zu einem Beitrag für das Üben Ihrer Meisterschaft wird.

Sie müssen nicht warten, bis Sie auf dem Sterbebett liegen, um ein Meister zu werden, der übt. Sie können ein Meister, der übt, jetzt und von dort aus werden, wo sie sind. Sagen Sie es einfach! Und dann begreifen Sie bewusst jedes Ereignis in Ihrem Leben als eine Demonstration Ihrer Meisterschaft.“

Übrigens, fleißigen Besuchern meiner Lebensschulkurse werden sicher an eine genial einfache Methode erinnert, die wir schon oft praktiziert haben und die wahre Wunder bewirkt: „So tun als ob!“ Siehe auch dazu den „Tipp der Woche“ 23. KW/2012.

Buchempfehlung: „Drehbuch für Meisterschaft im Leben“ von Ron Smothermon

Wie läuft der Opa?

Warum ist Gähnen ansteckend? Warum bekommen wir ein Lächeln meist zurück? Warum spüren wir, wenn den anderen etwas bedrückt? Warum weinen manche bei einem rührseligen Film mit? Und warum schnellt das Bein aus dem Sessel hoch, wenn beim Fußball im Fernsehen der Ball vor das gegnerische Tor geflankt wird?

Die Antwort liefert uns die Hirnforschung: Spiegelneuronen!

Bereits in den 90er Jahren hat eine italienische Forschergruppe um ihren Leiter Giacomo Rizzolatti an der Universität Parma diese entdeckt. Mehr aus Zufall, wie sooft. In Versuchen mit Schimpansen wollte man herausfinden, welche Lustzentren im Gehirn aktiviert werden, wenn Affen nach einer Nuss greifen. Dazu verkabelte man diese und beobachtete, wie ihre Neuronen (Hirnzellen) Cha-Cha-Cha tanzten.

Nach einer Weile machten die Forscher eine sensationelle Entdeckung: Nicht nur wenn der Affe selbst zur Nuß griff wurden Signale ausgesandt, sondern auch wenn ein anderer Affe oder sogar ein Teammitarbeiter die gleiche Handlung ausführte. Zusehen genügte also, um die gleichen Reaktionen in den gleichen Hirnregionen auszulösen. Die Spiegelneuronen waren entdeckt. Somit ist neurologisch erklärt, warum andere Menschen für uns ansteckend sind – im Guten wie im Bösen.

Bereits im Mutterleib bekommt unser Gehirn eine Grundausstattung an Neuronen, die wir von den Bezugspersonen kopiert (gespiegelt) haben. Danach geht es fleißig weiter. Auch wenn die Prägungen natürlich in den frühesten Jahren am stärksten sind, bleiben die Spiegelneuronen bis ins hohe Alter aktiv.

Kein Wunder, dass Kinder oft ihren Eltern ähnlich sind. Nicht nur vom Aussehen. Jemand lächelt wie die Mutter, läuft wie der Vater oder ist ein echter „Müller“ oder „Schmidt“. „Den kannst du nicht leugnen“, bekommt oft ein stolzer Vater zu hören.

Eine passende Lektion hat mir jüngst mein Enkel David mit seinen gut eineinhalb Jahren erteilt. Wir gingen im Kurpark spazieren. Ich lief gedankenversunken, die Hände auf dem Rücken verschränkt nach vorne gebeugt und mit Blick auf den Boden gerichtet. Im Zusammenspiel mit meinem eh schon ausgeprägten Rundrücken muss ich wohl das Bild eines wandelnden Spazierstockes abgegeben haben.
Plötzlich begann meine Frau laut zu lachen: David stolzierte mit tief gesenkten Kopf und nach hinten gestreckten Armen hinter mir her. „David, zeig noch mal, wie läuft der Opa!“ ermunterte sie den Kleinen. Sofort senkte sich der Kopf und die Armen schossen nach hinten. Die Freude darüber, etwas Neues gelernt zu haben, veranlasst ihn immer zu einem solch dreckigen Lachen, über das man sich einfach amüsieren muss. Das ist echt hörenswert, das ist göttlich… 😉
Dank der Spiegelneuronen weiß jetzt Davidchen, wie der Opa läuft und kann es auch auf Kommando nachmachen.

Hier ist das Beweisfoto:

Grund genug, mich künftig auf eine vernünftige Körperhaltung zu besinnen. Und mehr noch: Nicht nur was der Mensch sieht aktiviert die Spiegelneuronen, auch was er hört, fühlt, riecht oder schmeckt. So ein kleiner Wicht spürt sogar was wir denken und wie es uns geht.
Das ist natürlich nicht nur bei den Kleinen so, sondern bei allen Menschen und sogar bei höherentwickelten Tieren wie Hunden, Katzen oder Pferden, wie jeder Tierfreund weiß.

Zum Schluß sei aber noch ein wichtiges Kriterium genannt: Es muss eine gute Beziehung bestehen, damit richtig Saft auf die Spiegelneuronen kommt. (Lies dazu auch meinen Blog: „Warum es der eigene Affe sein muss“). Gott sei Dank ist das so, sonst wären wir der Willkür anderer Menschen schutzlos ausgeliefert.
Zumindest ein Erwachsener kann sich abgrenzen und eigene Erfahrungen, Einstellungen und Werte dagegen setzen. Ein Kind hat dies noch nicht und ist deshalb auf die Fürsorglichkeit der Großen angewiesen.

(Literaturempfehlung: Joachim Bauer: „Warum ich fühle, was du fühlst“ Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneuronen)

Warum es der eigene Affe sein muss

Stress und Burn-out haben in meinem Coachingalltag eine große Präsenz. Nicht nur für mich persönlich, denn ich muss immer aufpassen, den Stresspegel im verträglichen Maß zu halten und den Akku regelmäßig aufladen. Auch bei meiner Klientel ist dies oft eine alles beherrschende Thematik. Wenn Stress den Akku leerzieht, kommt die Angst. Angst es nicht mehr zu schaffen, Angst zu versagen, Angst Fehler zu machen, Zukunfts- und Existenzangst – die Liste könnte fleißig fortgeschrieben werden.
Ein Patentrezept dagegen gibt es nicht. Vielmehr müssen bei jedem Betroffenen maßgeschneiderte Maßnahmen und Bewältigungsstrategien entwickelt werden. Auch der Pharmazeutischen Industrie ist es noch nicht gelungen, eine allgemein wirksame Stresspille zu entwickeln. UnzähligStenden Ergebnis:

Bei diesen Forschungen wurde ein Anti-Stress-Präparat getestet. Man setzte einen Affen in einen Käfig und holte anschließend einen Hund der knurrend um den Käfig lief. Natürlich hatte der Affe Angst und die Stresshormone schnellten in die Höhe. Dann setzte man einen zweiten Affen dazu und gab ihm das Testpräparat. Wieder lief der Hund knurrend um den Käfig. Aber der Affe, der das Präparat bekommen hatte zeigte keine Stressreaktion. Die Pille scheint also zu wirken, war die erste Schlussfolgerung.

Als die Forscher aber den Stresshormonspiegel des Affen betrachteten, der zuerst im Käfig saß und keine Beruhigungspille bekommen hatte, mussten sie feststellen, dass dieser jetzt auch keine Stressreaktionen mehr hatte.

Nachdem der Versuch mit anderen Affen immer die gleichen Ergebnisse brachte, zog man daraus den Schluss, dass es genügt, einen anderen Affen dabei zu haben um bei Angst weniger Stress zu bekommen.
Aber auch hier wurden die Forscher eines Besseren belehrt: als sie nämlich zwei Affen aus unterschiedlichen Kolonien nebeneinander setzten, stellten sie zu ihrer Überraschung fest, dass es zu keiner Unterdrückung der Stressreaktionen kam.

Es geht also offensichtlich nicht darum, irgendeinen Affen in Stresssituationen bei sich zu haben, sondern den eigenen Affen. Das ist auch der Grund, warum ich jetzt nach Hause gehe (es ist 22.45 Uhr), für den Fall, dass meine Frau Stress bekommt. Und dann muss ja eben unbedingt der eigene Affe da sein. Ein anderer hilft da nicht, hoffe ich jedenfalls… ;-)))

Hausputz für die Seele

In den Sommermonaten lautet das Thema in der Lebensschule „Hausputz für die Seele“. Im Juli haben wir ein wichtiges Thema behandelt: Schuldgefühle und Selbstvorwürfe.

Wohl kaum ein Mensch ist frei von Schuldgefühlen. „Ach hätte ich damals bloß nicht auf Andere gehört!“, „Wie konnte ich nur…“, „Das hätte mir nicht passieren dürfen!“. Begleiten dich auch solche inneren Vorwürfe? Fühlst du dich dadurch minderwertig, schuldig und kannst du nachts nicht mehr gut schlafen? Vielleicht denkst du: „Aber es war doch auch ein Fehler!“ oder gar „Das geschieht mir ganz Recht!“

Bedenke aber, was du dir damit selbst antust: Schuldgefühle erzeugen Spannung in unserem Körper. Auf Dauer bekommen wir davon Magenschmerzen, Muskelverspannungen, Herzstechen oder Atemnot. Vielleicht sind wir aber auch „nur“ missmutig oder schnell reizbar. Vielleicht lassen wir die eigene Not unbewusst an unseren Nächsten aus, die wir am meisten lieben, indem wir diese ruppig oder abweisend behandeln. So leiden wir selbst und andere darunter, wenn wir uns nicht selbst vergeben und mit dem Vergangenen keinen Frieden finden können.

Männer haben weniger Schuldgefühle als Frauen

Eine Studie an der Universität des Baskenlandes in San Sebastián mit 360 Männern und Frauen unterschiedlichen Alters hat ergeben, dass sich Frauen prinzipiell schneller schuldig fühlen als Männer. Während das starke Geschlecht offenbar weniger sensibel dafür ist, wenn sie jemanden Leid zufügen, zeichnen sich insbesondere junge Frauen dadurch aus, indem sie mit Personen mitleiden, denen sie Schaden zugefügt haben. Mit zunehmendem Alter tritt Anstelle des Mitgefühls das Schuldgefühl über den Schaden, den man angerichtet hat und der oft nicht wieder gutzumachen ist. Manches haben Frauen und Männer aber gemeinsam: Wenn eine Verfehlung rein moralischer Natur war, etwa „ich habe zu viel getrunken“, entwickelten beide Geschlechter seltener und weniger stark ausgeprägte Schuldgefühle als in Fällen, bei denen andere Personen zu Schaden kamen.

Der eigene Anspruch an sich selbst

Es gibt große und kleine Schuldgefühle. Ich kann mich schuldig fühlen, weil ich einer Freundin gegenüber gedankenlos war und sie gekränkt habe. Oder ich kann Schuldgefühle haben, weil ich meinen Vater ins Altenheim gegeben habe, da ich meine Arbeit nicht aufgeben wollte oder konnte. Die Größe und Heftigkeit der Gefühle ist in beiden Fällen wahrscheinlich sehr unterschiedlich. Aber die Ursache ist immer gleich: Ich habe etwas getan oder unterlassen und bin dabei meinen eigenen Werten und (moralischen) Ansprüchen an mich selbst nicht gerecht geworden.

Wenn mir Freundschaften wichtig sind, aber monatelang die Zeit nicht aufbringe, mich mit meinem Freund zu verabreden und etwas gemeinsam zu unternehmen, dann bekomme ich wahrscheinlich leichte Schuldgefühle. Wenn ich mich den Christlichen Werten verpflichtet fühle und mich trotzdem zu einer Abtreibung entscheide, sind Schuldgefühle kaum vermeidbar, auch wenn es noch so viele gute Gründe für die Entscheidung gibt. Immer dann, wenn wir uns selbst und unseren eigenen moralischen Ansprüchen nicht gerecht werden können, dann fühlen wir uns schuldig.

6 Schritte Schuldgefühle zu überwinden

1. Schritt: Darüber reden

Durch darüber reden holen wir die „Leichen“ aus dem Keller ans Licht. Das Beichten hat eine reinigende Wirkung. Wenn du dich erst einmal „geoutet“ hast, verliert das Geschehene seinen Schrecken und du musst es nicht mehr vor dir oder anderen verbergen.

2. Schritt: Verantwortung übernehmen

Nimm deine Vergehen und Fehler zur Kenntnis und übernehme dafür die volle Verantwortung. Suche keine Ausflüchte oder Rechtfertigungen, sondern stehe zu dir selbst ohne dich dabei nieder zu machen. Dies stärkt dich und gibt dir Kraft, besser damit umzugehen.

3. Schritt: Sich selbst fair beurteilen

Beschönige nichts, aber sei auch fair mit dir selbst. Behandele dich so, wie du auch andere in solchen Situationen behandeln würdest. Überprüfe aber auch deine Werte und Ansprüche an dich selbst und ob diese realistisch und zeitgemäß sind. Haben diese Ansprüche Allgemeingültigkeit oder sind es „Spezialansprüche“ an dich selbst?

4. Schritt: Gute Absicht erkennen

Wir tun nichts ohne Grund. Bewusst oder unbewusst. Auch für eine Tat, die du später bereust hast du Gründe gehabt. Wir geben alle immer nur unser im Augenblick Bestmögliches. Immer ist eine Absicht dahin, mit der wir das in dieser Situation vermeintlich Beste tun.

5. Schritt: Eigene Fehlbarkeit akzeptieren

Akzeptiere mit erhobenem Haupt deine Fehlbarkeit. Wir alle lernen ein Leben lang und werden trotzdem niemals perfekt sein. Aber wir können verhindern einen Fehler zweimal zu machen. Werte immer nur den Fehler negativ und nicht dich als Person.

6. Schritt: Wiedergutmachung / Ritual

Was geschehen ist, kann man nicht rückgängig machen. Wenn möglich leiste Wiedergutmachung oder lindere den angerichteten Schaden. Es kann auch ein Ritual sein (Kerze aufstellen, Entschuldigungsbrief schreiben, den man auch nicht wegzuschicken braucht uva.).

Im Namen des Volkes

In der Lebensschule ist es mir ein Anliegen nicht nur kluge Vorträge zu halten, sondern den Teilnehmer/innen auch ganz konkrete Übungen und Maßnahmen anhand zu geben, die spürbare Verbesserungen bewirken.

Die Juli Übung war, über ein bestimmtes Ereignis, das heute noch Schuldgefühle oder Selbstvorwürfe verursacht eine imaginäre Gerichtsverhandlung zu führen.

Hintergrund: Selbstvorwürfe sind der Text des „inneren Staatsanwaltes“ und der „innere Strafverteidiger“ kommt erst gar nicht zu Wort. Genauso wenig kommt es dazu, dass der „innere Richter“ ein Urteil sprechen kann. Dieses schwebende Verfahren nagt an unserer Seele.

Deshalb habe ich ein doppelseitiges Arbeitsblatt verteilt, auf dem jeder  seine Sache eine imaginäre Verhandlung führen konnte. In der Schlußrunde wurde dann nur das Urteil, nicht die Sache selbst abgefragt. Das Ergebnis war: Über 90% Freisprüche, meist mit Auflagen, einige Bewährungsstrafen und einige wenige Schuldsprüche, die aber durch die Länge der Untersuchungshaft bereits abgesessen waren.

Im nächsten Monat geht’s weiter mit dem „Hausputz für die Seele“: Die hohe Kunst des Vergebens.

Es ist und bleibt weiter spannend in der Lebensschule. Ich freue mich darauf.

PS. Wer Interesse an dem Formular „Imaginäre Gerichtsverhandlung“ hat, kann es hier kostenlos downloaden.