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„Ach hätte ich doch damals…“ Solche oder Gluecklichähnliche Gedanken begleiten die meisten Menschen. Dabei liegt auf der Hand, wie zerstörerisch solche Vorstellungen sind. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gilt das Finden des inneren Friedens als Heilmittel. Man geht davon aus, dass Vergebung die Energiebahnen des Körpers öffnet und die vom Körper selbst produzierten Gifte austreten können. Denn Wut, Hass, Enttäuschung, aber auch Scham oder Selbstverurteilung verursachen im Körper oft schlimmere Wirkungen, als vielen Menschen bewusst ist.

Jede Sekunde unseres Lebens, seit der Zeugung, ist in den Körperzellen gespeichert. Aus der Schmerztherapie weiß man, dass psychische Faktoren wie Selbst- und Fremdvorwürfe, Hadern mit dem Schicksal oder den eigenen Entscheidungen und das ständige Durchspielen vergangener Ereignisse Schmerzen enorm verstärken. Schmerzlindernd wirken positive Gedanken, menschliche Zuwendung und die Beschäftigung mit angenehmen Dingen wie Musik, Lesen oder Entspannung. Das wirkungsvollste Mittel überhaupt ist ein positives Verhältnis zu sich selbst.

Weder vergessen noch verdrängen

Ein oft verwendetes Zitat lautet: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.“ In der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß wendet sich der verliebte Alfred damit an Rosalinde, die schließlich in den Refrain mit einstimmt, der komplett lautet:

„Flieht auch manche Illusion,
die dir einst dein Herz erfreut,
gibt der Wein dir Tröstung schon
durch Vergessenheit!
Glücklich ist, wer vergisst,
was doch nicht zu ändern ist.
“

Es sei mir erlaubt, den Librettoschreibern Karl Haffner und Richard Genée zu widersprechen. Zum einen gibt Wein natürlich keine wirkliche Tröstung und das Vergessen ist nur vorübergehend. Zum anderen weiß man aus der Hirnforschung, dass vergessen gar nicht möglich ist. Bestenfalls noch verdrängen, aber auch davon wird wohl jeder früher oder später wieder eingeholt. Was den Menschen belastet, sind auch nicht die Erinnerungen selbst, sondern die Gefühle, die damit gespeichert sind.

Zeit heilt nicht alle Wunden

In meinen Seminaren mache ich oft eine Übung, bei der sich jeder einen Rucksack vorstellt, den er auf dem Rücken trägt. Darin sind alle belastenden Gefühle aus der Vergangenheit, die immer noch aktiv sind. Wenn spürbar wird, wie schwer diese heute noch wiegen, weise ich darauf hin, dass wir diesen Rucksack freiwillig mit uns herumtragen, als wären wertvolle Schätze darin. Niemand kann uns daran hindern, ihn auszumisten.

Wohlgemerkt, in dem Rucksack sind nicht die Ereignisse der Vergangenheit, sondern die negativen Gefühle dazu. Es handelt sich dabei um Dinge, die wir anderen Menschen noch nachtragen oder uns selbst. Hast du das Wort „nachtragen“ aufmerksam gelesen? Man kann es wörtlich nehmen: „Ich trage etwas nach.“ Also: Wer trägt es? Ich! Selbst dann, wenn ein anderer der Verursacher war. Aber auch als eigener Urheber trägt man längst Vergangenes hinter sich selbst her. In dem Gefühlsrucksack wird es durch das lange Tragen nicht besser. Auch hier möchte ich einem Sprichwort widersprechen, das behauptet: „Zeit heilt alle Wunden.“ Menschen, die an einer „Posttraumatischen Verbitterungsstörung“ leiden, wie dies die Psychologie diagnostiziert, werden mich darin bestätigen.

Alte Wunden aufreißen

Holen dich öfter Erinnerungen ein, die dir im gegenwärtigen Leben noch zu schaffen machen? Häufig geschieht dies unbewusst. Im Beruf, in der Familie oder in Beziehungen zu anderen Menschen werden oft alte Wunden aufgerissen. Der Situation unangemessene Gefühle schwappen dabei hoch. Nähme man sich jetzt die Zeit nachzuforschen, woher man diese Gefühle kennt, gäbe es im Rucksack Passendes zu finden. Die Partnerschaft ist zum Beispiel eine wahre Fundgrube von nicht gelösten Vater-Mutter-Konflikten.

Laut Untersuchungen schleppen über 80 Prozent der erwachsenen Menschen kleinere oder größere Verbitterungen mit sich herum, die sie nicht loswerden können. Das soll nicht heißen, dass wir in einer psychisch kranken Gesellschaft leben und alle sich psychiatrisch behandeln lassen müssen. Vielmehr kann jeder auch ohne fachliche Hilfe dafür sorgen, dass seine negativen Gedanken immer seltener mit belastenden Gefühlen einhergehen. Das ist leichter, als sich viele Menschen vorstellen. Es erfordert aber eins: achtsam mit sich selbst und seinen Gefühlen zu sein.

Wirksame Hilfe ohne Therapeuten

Eine Selbsthilfetechnik ist die sogenannte „Kognitive Umstrukturierung“. Sie teilt sich in fünf Schritte auf, die ich in Kurzform und auf den Punkt gebracht wiedergebe:

Genau hinschauen

Egal was passiert, alles hat auch immer eine positive Seite, selbst dann, man sie erst später erkennt. Geht eine Beziehung zu Ende, entsteht Platz für eine neue, vielleicht eine bessere. Schon Hermann Hesse lehrte uns, bereit zu sein zum Abschied und dass in jedem Neubeginn ein Zauber innewohne.

Blickwinkel wechseln

Das Opfer sieht die Situation meist nur aus eigener Sicht, aus der des Opfers. Betrachte das Ganze einmal so, als wäre dies einem anderen passiert. Oder lass dich gar darauf ein, es mit den Augen des Verursachers zu sehen. Bekanntlich hat jedes Ding zwei Seiten. Ändert sich die Sichtweise, ändert sich das Gefühl.

Keine Schuldzuweisung

Hör auf, irgendjemanden die Schuld aufzuladen. Weder dir noch anderen. Vorhaltungen wie „Es ist alles meine Schuld, dass die Beziehung gescheitert ist“ oder „Schuld ist meine Mutter, sie hat mich nicht selbstständig werden lassen“ kleben wie zäher Leim auf der Seele. Sag vielmehr: „Was ich erlebt habe, daran bin ich gereift.“

Nicht auf sich selbst beziehen

Sag nie „Das konnte nur mir passieren“ oder „Es ging gegen mich“. Das stimmt so nie. Du hast weder versagt, noch ging es beim genaueren Hinsehen um deine Person an sich. Du bist durch die Geschehnisse nicht entwertet worden. Auch ein 50-Euro-Schein behält seinen vollen Wert, selbst wenn er in den Schmutz fällt oder gar zerrissen ist.

Annehmen und akzeptieren

Im Leben geht es auf und ab. „Gute Zeiten – schlechte Zeiten“ würde das im Fernsehen heißen. Erst wenn du das Geschehene annimmst, kannst du es loslassen. Um das zu demonstrieren, halte ich manchmal einem Klienten einen Stift hin und fordere ihn auf, diesen loszulassen. Erst wenn er ihn annimmt, ist ihm das möglich. Nur wenn du Ja zur Vergangenheit sagst, kannst du auch Ja zur Zukunft sagen.

3 comments

  1. Gesa Wienhusen

    Jawohl, alles hat auch eine gute Seite, wichtig dies nie zu vergessen, selbst wenn man sie erst später erkennt – und ich liebe Hermann Hesse
    lieben Gruß
    Gesa

  2. Petra Schnabel

    Waum muß man erst so alt werden um darauf zu kommen? Das Leben geht langsam dem Ende zu……..Alles schon passiert, was hätte verhindert werden können, mit ein bisschen mehr Wissen oder guter Aufklärung….. Das ist das Leben…….

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