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„Mein Herz begann zu rasen, der Mund Angst_1war ganz trocken und meine Hände zitterten so sehr, dass ich das Geld nicht mehr aus dem Portemonnaie holen konnte. Ich wollte nur noch weg,“ so berichtet Petra M. verzweifelt. Sie fürchtet sich schon vor dem nächsten Einkaufen und versteht sich selbst nicht mehr. Dabei ist sie wahrlich nicht die Einzige, die mit einer akuten Angststörung zu tun hat.

Etwa 15 bis 25 Prozent der Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an einer krankhaften Angst. Europaweit ist es jeder Siebte, der regelmäßig von krankhafter Angst befallen wird, so Professor Hans-Ulrich Wittchen vom Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden, der die bislang größte europaweite Studie zu psychischen und neurologischen Erkrankungen leitete.

Bei Frauen stellt die Angststörung mittlerweile die häufigste psychische Störung dar. Bei Männern rangieren Angststörungen nur knapp hinter Alkoholproblemen auf Rang zwei.

„Angst essen Seele auf“, heißt der eindrucksvolle Film von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974. Darin geht es um die Konfliktlinien zwischen Jung und Alt, vertraut und fremd und um den daraus entstehenden Druck durch die Gesellschaft. Der Filmtitel ist mittlerweile zum geflügelten Wort geworden, selbst der Duden listet den Satz als stehende Redewendung auf. Das tägliche Leben, die Arbeit und die zwischenmenschlichen Beziehungen sind Brutstätten realer und irrealer Gefahren, die sich zu chronischen Angstzuständen entwickeln können.

Angst an sich ist ein völlig normales Gefühl und für unser Leben sinnvoll und notwendig. Der menschliche Körper funktioniert auf ganz erstaunliche Weise: Verschlucken wir uns, löst er einen Hustenreiz aus, gelangt Unverträgliches in den Magen, wird es wieder nach oben befördert, und haben wir uns Krankheitserreger eingefangen, produziert er sofort Antikörper. Durch das Gefühl der Angst werden wir in brenzligen Situationen gewarnt. Eine Alarmreaktion im Körper setzt ein, der Blutdruck steigt, Atmung und Herzschlag werden schneller, Muskeln werden angespannt, damit wir in Notsituationen schneller entkommen können. Aber wenn die Angst übermächtig wird und ohne erkennbaren äußeren Grund über einen Menschen hereinbricht, dann erscheint sie nicht mehr normal. Leider kann aus durchaus sinnvoller Angst eine Krankheit werden, die uns auch in eigentlich ungefährlichen Situationen in Alarmbereitschaft versetzt.

 

Wenn die Angst ganz plötzlich kommt

Viele Angststörungen beginnen völlig unerwartet wie „aus heiterem Himmel“ mit einer Panikattacke, die nur wenige Minuten dauern oder sich im Einzelfall sogar über mehrere Stunden hinziehen kann. Panikattacken sind kaum zu kontrollieren und die Betroffenen fürchten, ohnmächtig zu werden, zu ersticken, einen Herzinfarkt zu erleiden, sterben zu müssen oder verrückt zu werden.

Personen mit Angststörungen waren vorher oft keine ängstlichen Menschen. Die erste Panikattacke wird zumeist nicht durch Ängste ausgelöst, sondern durch Stress, unterdrückte Wut oder unverarbeitete Trauer. Das Auftreten der ersten Panikattacke kann begünstigt werden durch einen kurzfristig geschwächten Organismus nach körperlicher Erschöpfung oder Überanstrengung. Panikattacken wecken eine ständige Erwartungsangst vor dem nächsten Anfall. So entsteht die Angst vor der Angst. Ständiges In-sich-Hineinhören und die Suche nach Anzeichen für einen neuerlichen Panikanfall kann die nächste Attacke regelrecht hervorrufen.

 

Nur eine Spinne – spinne ich?

Auch Phobien (irrationale Ängste) sind weit verbreitet. Allein in Deutschland sind 1,6 Millionen Menschen davon betroffen. Außer den bekannten Phobien wie der Angst in geschlossenen Räumen (Klaustrophobie), der Angst vor Menschen (Anthropophobie), der Angst vor weiten Plätzen und bestimmten Orten (Agoraphobie) oder der Angst vor Spinnen (Arachnophobie) sind in der Fachliteratur über 500 Phobien gelistet. Gegen fast alles, was uns umgibt, können Menschen eine Phobie entwickeln. Im Internet werden solche Angststörungen häufig als „lustig“ oder „komisch“ dargestellt, aber für die Betroffenen sind Furcht und Panik alles andere als lustig.

Die Betroffenen wissen meist genau, dass ihre Angst unbegründet oder nicht nötig ist. Nur nützt diese Erkenntnis genauso wenig wie gut gemeinte Ratschläge: „Vor einer kleinen Spinne braucht man sich doch wirklich nicht zu fürchten“ oder „Millionen Menschen steigen locker in ein Flugzeug“. Das Gefühl, nicht verstanden zu werden, verstärkt nur den Druck und damit die Angst. Natürlich ist die kleine Spinne nicht gefährlich. Aber die Gründe für eine Phobie findet man nicht äußerlich, sondern innerhalb der Persönlichkeit. Der Betroffene fürchtet sich nicht vor Räumen, Spinnen oder Brücken, sondern vor seinen eigenen Gefühlen und körperlichen Reaktionen.

 

Selbstcoaching kann helfen

Meist reagieren die von Angststörungen Betroffenen mit Rückzug und Vermeidungsstrategien. Sie betreten dann eben keine Brücke mehr, fahren kilometerweite Umwege, um Tunnel zu umgehen, oder versagen sich Urlaubsziele, die nur mit dem Flugzeug erreichbar sind. Es gibt sogar Menschen, die seit Jahren nicht mehr ihr Haus verlassen haben. Die gute Nachricht ist: Angststörungen lassen sich heute erfolgreich therapieren. Sogar im Selbstcoaching gibt es mehr wirkungsvolle Techniken, als Betroffene zu träumen wagen. Prüfungsstress, Angst vor dem Zahnarzt, Angst, öffentlich zu reden, und viele Phobien sind oft aus eigener Kraft zu bewältigen.

Der erste Schritt besteht darin, sich seinen Ängsten zu stellen, statt sie vermeiden zu wollen oder vor ihnen zu flüchten. Erst wenn man die Angstattacke zulässt und erlebt, dass sie zwar unangenehm, aber unterm Strich doch nicht lebensgefährlich ist, kann sich der Angstpegel nach unten bewegen. Zen-Meister Thich Nhat Hanh lehrt: „Wenn du Angst vor der Angst hast, kann sie dich überwältigen. Wenn du sie ruhig zu dir einlädst und ihr in Achtsamkeit zulächelst, wird ihre Stärke nachlassen.“

Übungen des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) und der Energetischen Psychotherapie eignen sich besonders gut zum Selbstcoaching. So kann man mit einem „Körperanker“ andere Netzwerke im Gehirn aktivieren, die mit positiven Erfahrungen und innerer Stärke verbunden sind. Auch die Methode des Reframings (engl. frame – der Rahmen), also etwas in einen anderen Rahmen stellen, kann sehr hilfreich sein.

Äußerst wirksam ist auch eine schnell erlernbare Klopftechnik, bei der bestimmte Meridianpunkte beklopft werden. Ähnlich wie die Akupunktur beeinflusst dies das Energiesystem des Körpers. Auf diese Weise lassen sich viele Ängste auflösen oder zumindest reduzieren. Gefühle hängen eng mit Körperwahrnehmungen zusammen. Deshalb erscheint es nur logisch, den Körper bei Veränderung negativer Gefühlszustände mit einzubeziehen. Bei dieser Technik werden durch eine schnelle Aktivierung verschiedener neuronaler Aktivitäten wie Klopfen, Summen, Zählen oder Augenrollen Impulse verursacht, die sogar neue Verschaltungen im Gehirn bewirken.

Im zweiten Teil (12.8.15) erfährst du, welche Behandlungsmöglichkeiten sich bei Angststörungen bewährt haben.

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