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Es beginnt immer ganz harmlos und ist meist auch gesellschaftlich akzeptabel:

  • jemand trinkt Alkohol, um sich nach getaner Arbeit zu entspannen,
  • wenn es dick kommt, schiebt sie sich einige Stücke Sahnetorte rein,
  • er raucht wie ein Schlot, wenn es viel Arbeit im Büro gibt,
  • oder stürzt sich in die Arbeit, wenn er Sorgen oder Probleme hat,
  • und der Jugendliche dröhnt sich in der Disco zu, um den Schulstreß loszuwerden.

All diese Situationen haben einen gemeinsamen Nenner: es sollen negative Gefühle wegge­räumt werden und dazu wird ein Gegenmittel benötigt.


Was ist Sucht

Negative Gefühle sind also der Stoff aus dem Süchte gemacht werden. In manchen Situatio­nen ist ein Ausweichverhalten durchaus in Ordnung und hilft um z.B. körperliche Schmerzen, Trauer, Enttäuschung oder Verlust auszuhalten.

Ein Suchtverhalten baut sich in fünf Stufen auf:

  1. Genuss
  2. schädlicher Mißbrauch
  3. Ausweichverhalten
  4. Gewöhnung
  5. Abhängigkeit/Sucht

Folgende Kriterien geben Hinweise darauf, ob es sich um eine Sucht handelt:

  1. Kontrollverlust – also wenn man nicht aufhören kann, immer weitermachen muß
  2. Entzugserscheinungen – körperliche oder psychische Reaktionen wie Zittern u.v.a.
  3. Abstinenzunfähigkeit – man kann ohne das Suchtmittel nicht mehr sein
  4. Dosissteigerung – die Dosis des Mittels muß immer mehr werden
  5. Konzentration auf das Suchtobjekt – es wird mehr und mehr zum Lebensmittelpunkt
  6. Gesellschaftlicher Abstieg – Betroffener kapselt sich immer mehr ab
  7. Psychischer und körperlicher Verfall – deutliche Spuren der Selbstzerstörung

Sucht ist eine Sackgasse

Das Tragische bei Suchtmitteln ist, daß es nicht die Probleme löst, sondern – ähnlich wie ein Schmerzmittel – lediglich betäubt, aber nicht die Ursache beseitigt.
Wir können also jetzt schon sagen, daß eine Suchttherapie nur erfolgreich sein kann, wenn die Ursachen beseitigt und die jeweiligen Bedürfnisse real und nicht über das Suchtmittel befriedigt werden.

Das Wissen darum allein hilft allerdings dem Süchtigen noch nicht. Die sofortige Schmerzbeseitigung hat in unserem System offenbar die höhere Priorität – vielleicht vergleichbar mit Zahnschmerzen, bei denen uns alles egal ist, wenn nur der Schmerz verschwindet.

Sucht ohne Stoff

Es gibt nicht nur stoffgebundene Süchte wie Alkohol, Essen, Rauchen u.a. sondern auch stoffungebundene Süchte wie Arbeitssucht, Eifersucht, Gefallsucht, Machtsucht, Spielsucht, sogar Sportsucht u.v.m. Eigentlich jedes Objekt eignet sich zur Sucht.

Dabei ist aber nicht die Droge das Objekt der Begierde, sondern das gute Gefühl ist es, nach dem man süchtig geworden ist.
Hinter jeder Sucht liegt ein Mangel, der damit beseitigt werden soll.

Nehmen wir ein Beispiel: Steffi, 38 Jahre, verh., zwei Kinder, hat kein Übergewicht, ist aber nach eigenen Angaben süchtig auf Süßigkeiten. Obwohl sie eine Zuckerunverträglichkeit hat, ißt sie jeden Abend zwanghaft Süßes und leidet am nächsten Tag körperlich darunter.
Was läuft da hinter den Kulissen?
Steffi litt als Kind darunter, daß sie als Pippi Langstrumpf verlacht wurde und hatte große Angst keinen Mann zu bekommen. Als sie Oli heiratete machten sie viel gemeinsam und polierte ihr Selbstwertgefühl auf. Als Steffi Kinder bekam blieb sie meist zu Hause und versüßte sich ihr Alleinsein. Auch betäubte sie damit ihre aufkommende Eifersucht. Ihre Lösung war, bedingt durch den Kursbesuch, ihr Bedürfnis nach mehr Nähe zu erkennen und die Ursache für ihr schwaches Selbstwertgefühl durch die früheren Hänseleien aufzuarbeiten. Inzwischen braucht sie keine Süßigkeiten mehr.

Hunger nach Liebe

Eifersucht ist übrigens eine sehr weit verbreitete Sucht. Dahinter steckt immer ein Selbst­wertdefizit, denn wenn dieser fehlt, erlebt man es immer als Bedrohung, daß andere vorgezogen werden könnten. Eifersucht will laufend die Bestätigung: Du bist die Nummer eins. Alle Menschen haben wohl gemeinsam, daß sie geliebt werden möchten und alles andere macht uns ein schlechtes Gefühl.
Schlechte Gefühle wiederum sind die Hintergründe für jede Sucht. Ganz deutlich wird dies auch bei der Fettsucht. Schon der Volksmund sagt: Liebe geht durch den Magen. Für viele Menschen bedeutet Essen viel mehr als ihnen bewußt ist.
Schon das Kleinkind spürt, daß gefüttert werden auch ein Akt der Liebe ist. Auch ist bekannt, daß Eltern zuweilen ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern durch Füttern oder durch Süßigkeiten kompensieren, weil sie sich bei­spielsweise zu wenig Zeit nehmen oder sich nicht  richtig einlassen können. Das Kind lernt dieses Ver­halten und stillt seinen un­befriedigten Hunger nach Liebe durch Essen.
So kann eine Eß- oder Fettsucht entstehen. Zudem wird Essen häufig als Erziehungsmittel, also als Belohung oder als Bestrafung eingesetzt.

Der Fettsüchtige hat gelernt, seine Probleme mit Essen auszugleichen oder zuzudecken und frißt buchstäblich alles in sich hinein.

Verbote schaden nur

Bei der Therapie von Fettsucht helfen keine Verbote, keine Vorschriften, kein Druck und auch keine Appetitzügler, sondern es geht nur über das Bewußtmachen der Hintergründe. Es gilt also Fragen zu stellen wie ‚Wann kommt der Hunger?’ ‚Auf was?’ ‚Wie ist die familiäre, private oder berufliche Situation?’ ‚Sind oder waren die Eltern, insbesondere die Mutter, auch dick?’
Der Süchtige versucht also einen Mangelzustand durch das Suchtmittel – ob stoffgebunden oder nicht – zu beseitigen und sich damit so zu betäuben, daß der meist verdrängte und damit unbewußte Schmerz vorübergehend beseitigt wird.
Dazu kommt der innere „Glaube“ des Betroffenen, dass es ohne das Suchtmittel nicht ginge. Also nimmt er das Suchtverhalten in sein Selbstbild auf und verankert es mit seiner Identität und seinen Glaubenssätzen. Viele Süchtige definieren sich über ihre Sucht, was einen Ausstieg sehr erschwert.

Süchtig sind immer nur die Anderen

Wenn sich also etwas ändern soll, muß der Betroffene auch selbst daran glauben, daß es möglich ist und vor allem: er muß es wollen. Meist hilft erst ein starker Leidensdruck und ein „Wachwerden“ in besonders schlechten Momenten. Wichtig ist dabei, sich nicht selbst unter Druck zu setzen und gegen sich selbst zu kämpfen, sondern sich vielmehr selbst die „Erlaubnis“ geben – also eine Änderung zuzulassen.
Ein Ankämpfen gegen seine Sucht verstärkt nur den Druck und damit das schlechte Gefühl und bereitet somit wieder einen fruchtbaren Nähr­boden für das Suchtmittel, welches die negati­ven Gefühle beseitigen soll.
Es ist auch sehr wichtig, sich zu seiner Sucht zu bekennen und diese nicht etwa herunter zu spielen. Zu Recht ist es zum Beispiel bei den anonymen Alkoholikern eine der wichtigsten Voraussetzungen, daß der Alkoholkranke von sich selbst ganz offen sagt, ein trockener Alkoholiker zu sein.

Der Ausstieg aus der Sucht

Eine leider unbestrittene Tatsache ist, daß eine Sucht niemals wirklich heilbar ist. Wenn erst einmal die Suchtstrukturen im System geprägt sind, wird es bei ungünstigen Gefühlslagen dazu neigen, darauf zurück zu greifen. Nebenbei bemerkt hat jeder Mensch solche mehr oder weniger stark ausgeprägten Suchtstrukturen. Aber wir können sehr wohl lernen gut damit umzugehen.

Um dauerhaft gut mit seinem Suchtverlangen umgehen zu können sind die folgenden vier Punkte besonders wichtig:

1. Hinter den Kulissen aufräumen
Alte Verletzungen, Ungeklärtes oder Nichtver­arbeitetes führen in der Gegenwart immer noch zu negativen Gefühlen. Deshalb gilt es, sich von ungutem Vergangenen befreien.

2. Genuss statt Gier
Im Genuss fühlen wir uns wohl und haben gute Gefühle. Deshalb auf allen Ebenen ein genussreiches Leben führen, um Gier zu vermeiden.

3. Versuchungsarmes Umfeld
Äußeren Einflüssen lenken uns sehr stark. Deshalb ist es gut, sich mit Menschen und einem Umfeld zu umgeben, das einem gut tut.

4. Suchtarmes Selbstbild schaffen
Unser Selbstbild prägt unser Fühlen und Handeln. Deshalb ein neues Bild von sich erwirken, in dem die Sucht keinen Platz mehr hat.

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